Die Arbeitsgruppe Wald und Wildtiere des Schweizerischen Forstvereins führte in Chur eine Weiterbildungsveranstaltung durch. In verschiedenen Referaten wurden dabei aufschlussreiche Erkenntnisse über den Rothirsch präsentiert.
Claudio Signer von der Forschungsgruppe Wildtiermanagement an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) Wädenswil konnte im ibW Bildungszentrum in Chur rund 100 Vertreter von Forst, Jagd, Landwirtschaft und Naturschutz zur Wald-Wild-Weiterbildungsveranstaltung begrüssen. Das Thema war der Rothirsch, der vor etwa 150 Jahren durch die rigorose Bejagung und den Raubbau am Wald ausgerottet wurde und um das Jahr 1870 aus Österreich wieder eingewandert ist. Seither hat er sich kontinuierlich in weiten Teilen der Schweiz ausgebreitet, wobei der Bestand mittlerweile auf rund 40 000 Tiere angewachsen ist. Die meisten Rothirsche leben in den Alpenkantonen Graubünden, Wallis und Tessin. Seit den 1990er-Jahren kommt er auch wieder vermehrt in Teilen seines einstigen Verbreitungsgebiets im Mittelland vor, wo sich seit 15 Jahren wieder lokale Populationen etabliert haben. Sandro Stoller von der Fischerei- und Jagdverwaltung des Kantons Zürich bemerkte, dass sich die Population der Rothirsche im Kanton Zürich auf das Tössbergland und die Region Zimmerberg‒Albis‒Knonauer Amt konzentriert. Zudem sind einzelne Tiere im gesamten Kanton verstreut. Roman Kistler, Amtsleiter der Thurgauer Jagd- und Fischereiverwaltung, erklärte auf Anfrage des «Thurgauer Bauer», dass der Rothirsch im Kanton Thurgau mit ausbreitender Tendenz überwiegend im Hinterthurgau im Bereich der Gemeinden Fischingen/Bichelsee-Balterswil vorkommt. Kistler schätzt den Bestand im gesamten Gebiet des Dreiländerecks Thurgau/Zürich/St.Gallen auf zwischen 160 und 250 Tiere und bemerkte, dass im Kanton Thurgau im Durchschnitt jährlich zwischen 10 und 20 Rothirsche erlegt würden.
Rothirsch kann erhebliche Wildschäden verursachen
Die Rückkehr des grössten Wildtiers der Schweiz blieb für Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Jagd und auch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit nicht ohne Folgen. «Die Eibenbestände sind ohne Schälschutz gefährdet», sagte Christof Gantner, Revierförster aus dem Toggenburg, und bemerkte, dass der Rothirsch im Sommer diese Baumart oftmals bis zur Totalschädigungen schäle. Wenn die Population nicht auf einem tragbaren Niveau gehalten werden kann, könnte es auch beim Bergahorn längerfristig zu einer Bestandsabnahme führen, da diese Baumart im Toggenburg nicht so oft vorkommt.
Verschiedene Rothirschkonzepte sind erfolgversprechend
Die Fischerei- und Jagdverwaltung des Kantons Zürich hat 2017 ein Rothirschkonzept ausgearbeitet, das die natürliche Einwanderung dieser Tierart nicht aktiv fördert, aber zulässt und zusätzliche Massnahmen zur Schadensminderung und Entschärfung der Interessenkonflikte beinhaltet. Im Kanton Zürich gibt es für den Rothirsch keine zahlenmässige Abschussplanung. Stoller berichtete von einem Pilotprojekt, bei dem untersucht wird, ob die Schälschäden bei den Eiben zurückgehen, wenn kobalthaltige Lecksteine aus dem Pferdesportbedarf ausgelegt werden. Er erklärte, dass insbesondere männliche Rothirsche für den jährlichen Geweihaufbau grössere Mengen des Elements Kobalt benötigen, das vermehrt in tief wurzelnden Bäumen wie der Eibe vorkommt. Seit dem letzten Jahr wird gemeinsam mit den Kantonen St.Gallen und Thurgau auch ein Monitoring mit gemeinsamen Zählungen und Fotofallen durchgeführt. Im Kanton Thurgau gibt es bisher noch kein Rotwildkonzept.
Text: Thomas Güntert